Im Februar 2010 habe ich mich entschlossen, nach meinem Abitur ein Jahr lang einen Weltwärtsdienst in Tansania abzuleisten. Unterstützt von der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft werde ich dabei ein Jahr lang in Kyela, Südwest-Tansania verbringen und in der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Mikrokredite mit dem Schwerpunkt auf Erneuerbare Energien arbeiten.
Viel Spaß beim lesen meiner Einträge!

Mittwoch, 23. Februar 2011

Tansanier?!

Ein halbes Jahr ist nun schon vorbei und immer häufiger kommt es vor, dass man mich „mtanzania“, Tansanier nennt. Natürlich meist nicht ernst gemeint, doch wie sehr habe ich mich wirklich verändert?
Während unseres Zwischenseminars in Bagamoyo hatten wir eine interessante Einheit, zu der wir, die Freiwilligen, uns als Antwort auf Fragen im Raum verteil hatten. Bei der Frage: „Wie sehr bist du Tansanier, wie sehr bist du noch Deutscher?“ stand zum Beispiel eine Ecke für „100 % Tansanier“ und eine Ecke für „100 % Deutscher“.
Und ich stand ziemlich weit in der Ecke der Deutschen.
Bedeutet: Ich fühle mich noch sehr Deutsch.
Aber mittlerweile glaube ich, dass man das auch anderes sehen kann. Denn zumindest für andere Leute kann mein Leben hier in Kyela durchaus tansanisch eingeschätzt werden. Vielleicht ist es einfach so, dass ich mich anpasse. Anpasse in sofern, dass ich mein Verhalten und mein Auftreten verändere, meine Denkweise aber nicht. Werde ich dadurch zum Tansanier?
Wenn das für 9 einbestellte Auto für die Solarpräsentation um halb 10 immer noch nicht da ist, bleibe ich zwar mittlerweile äußerlich ruhig. Auch innen drin weiß ich, dass er schon noch kommen wird und alles so hin hauen wird.
Aber ich weiß einfach auch, dass ich damit geplant habe, dass es um 9 Uhr kommt und auch, dass ich innerlich darauf gehofft habe dass es um 9 kommt. Und das es nicht normal für mich ist, dass es erst um halb 10 kommt.
Wenn ich mich mal wieder gesagt bekomme, man könne die nächste Präsentation noch nicht planen, dann akzeptiere ich dass und vertraue da drauf, dass es auch reicht, am Morgen vor der Präsentation zu besprechen, wo es hin geht. Aber wenn es möglich wäre, würde ich sie natürlich sehr detailgetreu planen, wer muss wann wo sein, wer ist für was zuständig, wer muss wann benachrichtigt werden.
Wenn ein Problem auftritt mache ich mir trotzdem im Kopf schon Gedanken, welche Schritte jetzt nach und nach getan werden müssen, damit das Problem beseitigt wird, auch wenn ich mittlerweile weiß, dass sich das Problem so oft verändern wird, dass man es so nicht lösen kann.
Und deshalb glaube ich, dass ich mich in meiner Einstellung und in meiner Denkweise nicht sehr verändert habe.
Auf der anderen Seite gibt es schon Dinge, die tansanisch sind, und die ich schon sehr verinnerlicht habe.
Treffe ich jemanden Bekanntes auf der Straße wird natürlich ausführlich begrüßt, ein einfach Hey reicht da nicht.
Begegne ich einer älteren Person habe ich schon mehr Respekt, als ich es vielleicht zu Hause hätte.
Gästen zu Hause wird eher etwas angeboten, und Freunde meist spontan besucht.
Im Bus einen eigenen Platz zu haben habe ich schon länger aufgegeben, und das Geld trage ich natürlich nicht im Portmonnaie mit mir herum sonder ich stecke immer etwas in meine Hosentasche und schau dann, wie viel ich mit habe.
Wildfremden Menschen im Bus mein Gepäck auf den Schoß legen? Kein Problem! Jedes Mal wenn ein jemand angerufen wird zur Musik tanzen? Warum nicht? Nicht mehr freiwillig in die Sonne gehen, sondern möglichst immer im Schatten sein? Was soll ich denn sonst machen!
Jeden Tag frische Früchte kaufen, die Mangoverkäuferin mit „Hey Mango, ich möchte Mangos!“ von der Straße zum Büro locken, jeden Tag eine Cola, Fanta oder Sprite trinken und beim Einkaufen auch um 25 Cent noch lange und ausgiebig falschen – das alles ist mir wirklich ins Blut über gegangen.

Und so werde ich bestimmt einige Dinge anders machen, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. Doch bin ich deshalb ein anderer Mensch geworden? Ich glaube nicht.
Aber das kann ich natürlich nur schwer beurteilen.
Auf jeden Fall werde ich Supermärkte nicht mehr mögen, mich in Bussen und Bahnen sehr alleine fühlen, mich wundern, wie schwierig es ist, frische Früchte gebracht zu bekommen, gezwungener maßen weniger Cola trinken, merken wie wenige Worte es im Deutschen gibt um sich zu begrüßen und mir oft wünschen, ich wäre wieder in Kyleas...

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