Im Februar 2010 habe ich mich entschlossen, nach meinem Abitur ein Jahr lang einen Weltwärtsdienst in Tansania abzuleisten. Unterstützt von der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft werde ich dabei ein Jahr lang in Kyela, Südwest-Tansania verbringen und in der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Mikrokredite mit dem Schwerpunkt auf Erneuerbare Energien arbeiten.
Viel Spaß beim lesen meiner Einträge!

Sonntag, 26. September 2010

Esskultur

Heute ist ein besonderes Ereignis passiert, dass ich gerne hier festhalten möchte.

Seit nunmehr 4 Wochen arbeite ich bei Tujijenge Microfinance. 4 Wochen in denen ich vorallem Vokabeln gelernt habe. Ich habe alte Vokabelzettel vom Sprachkurs abgearbeitet, Vokabeln vom Sprachkurs hier in Dar-es-Salaam noch einmal ordentlich abgeschrieben, immer wieder zwischendurch mir Vokabeln aufgeschrieben, die ich dann später nachgesehen habe, mich durch Zeitungsartikel im BILD-stil gequält und jedes zweite Wort nachgeschlagen, ich habe mir Lesefibeln für tansanische Kinder der zweiten Klasse besorgt und alle Vokabeln, die ich noch nicht kannte, abgeschrieben, ich habe zufällig Seiten in meinem Wörterbuch aufgeschlagen und geschaut, ob sie hilfreiche Vokabeln beinhalten, ich habe die Vokabeln rauf und runter gelernt, von vorne bis hinten und zurück.
Dazwischen habe ich mich mit meinen Kollegen über deutsche Mädchen und die Chance, sie zu heiraten gesprochen, ich habe von Deutschland erzählt, habe versucht zu erklären, dass dort nicht alle Menschen Mais essen und ich habe versucht, einem meiner Kollegen Deutsch beizubringen, da er damit dann bestimmt bessere Chancen bei den deutschen Mädchen hat.
Jetzt kann er schon Guten Morgen sagen, er kann sich auch schon mit Bis Bald verabschieden und er kann uns mitteilen dass er Hunger hat und gerne Pommes mit Hühnchen mag.
Doch das gehört eigentlich alles gar nicht zu dem besonderen Ereignis was heute passierte.
Denn zu dem Arbeitsalltag, der sich mitlerweile eingestellt hat zählen auch noch andere Dinge.
Da wäre zum einen das Rausstellen der Fahrräder, die von Kunden konfisziert wurden und jetzt in unserem Büro stehen, dann das Begrüßen der Kollegen, teiweise kurz und knapp : Mambo vipi? Safi!, mache ausführlicher, dann natürlich das Gutten Mogan von Mercy, dem Deutsch-Schüler, das allmorgendliche Fragen wie es meiner Freundin geht und ob Jonas schon eine in Tansania gefunden hat.
Mittlerweile gehört auch schon der Erdnussverkäuger dazu, der vormittags immer vorbei kommt um uns frisch geröstete und gesalzene Erdnüsse verkauft.

Doch all das war Heute... naja, nicht anders aber doch irgendwie nicht das selbe.

Und das hatte mit dem eigentlichen Arbeitstag rein gar nichts zu tun.
Anders war nur das Ende der Arbeit.
Normalerweise packen wir mit deutscher Pünktlichkeit unsere Sachen um 13 Uhr zusammen, zwängen uns zu zweit in das kleine Büro unseres Chefs und verabschieden uns mit den besten Wünschen für den Nachmittag und das Wochenende.
Danach schauen wir bei den anderen Kollegen herein, sagen allen einmal Tschüss und gehen dann zu unseren Fahrrädern.
Auch das war noch alles so wie sonst auch.
Auch die Fahrräder standen noch da, selbst die Reifen sahen gut aus und nicht platt wie letzte Woche vorgekommen.
Nein, da war noch alles gleich, und wir fuhren in Wochenendstimmung zum Mittagessen zu Khalfan, unserem Chipsi-Mann.

Und da passierte es: Sein Stand hatte geschlossen!
Und das schockierte uns wirklich, denn zu einem Arbeitsalltag gehört nunmal das abschließende Chipsi Majay bei Khalfan.
Chipsi Majay, dass ist grob gesagt ein Omlett mit nicht wirklich krossen Pommes ein paar Stücken Paprika und Zwiebeln sowie einer wunderbaren Chilisauce.
Dazu muss man natürlich sagen, es gibt Chipsi und Chipsi. Klar, lange bin ich noch nicht hier, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es in ganz Tansania bessere Chipsi Majay als bei Khalfan gibt.
Das gute an ihnen ist nicht allein der Geschmack, das ganze drum herum muss stimmen. Da ist zum einen das ständig laufende Radio, das den Sender Kyela FM ausstrahlt, dann die Begrüßung mit Khalfan (Er spricht überhaupt kein Englisch und daher sind wir gezwungen, Kisuahili zu reden), das Zubereiten im Frittierwok, das übergießen der goldbraunen Chipsi Majay mit Fett aus der Pommesfriteuse, die frisch zubereitete Chilisauce, die wunderbar scharf ist, einfach alles stimmt hier.

Schon kurz nach dem Frühstück freuen wir uns auf unser Mittagessen und können es oft gar nicht mehr erwarten, dass es endlich 13 Uhr wird.

Klar, ihr werdet euch vielleicht jetzt denken: Hää? Was macht der son Umstand um den paar durchgeweichte Pommes mit Rührei?
Aber Chipsi majay ist mehr als das. Es ist nicht bloß Essen, was hingestellt wird und gut ist.
Khalfan geht im Zubereiten regelrecht auf.
Er arbeitet bis zu 12 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Er hat zwei kleine Kochstellen, wo er die Chipsis frittiert und später das Chipsi Majay zubereitet, dort ist es unglaublich heiß, er hat ständig mit Fett zu tun, im Hinterzimmer, was gleichzeitig der Essraum ist, liegen einzelne fertige geschnittene Kartoffeln bereits in großen Wasserbottichen, von der Decke hängt eine einzelne Neonlampe, an der Wand stehen 2 alte Tische und ein paar kaputte Plastikstühle, durch ein Fenster dringt ein wenig Licht, man schaut auf einen tristen Hinterhof.
Doch all das wirkt nicht etwa ungemütlich. Ganz im Gegenteil.
Denn es ist nicht ein trister Ort, wo ein schlecht gelaunter Mann Ende 50 mit beträchtlichem Bierbauch, fettigen Fingern und schmutzigen, von Fettflecken nur so übersähten ehemals weißen Klamotten dir das Essen stumm hinstellt.
Es ist ein Ort wo Khalfan, ein gut aussehender Mittezwanziger mit einem Lächeln auf den Lippen arbeitet, stets adrett gekleidet mit schicken schwarzen Schuhen, weißem Hemd und Anzughose, immer Bereit für ein Gespräch, immer gut gelaunt. Ein Mann, bei dem man sich wohlfühlt, der seinen Job liebt und in ihm aufgeht.

Und deshalb habe ich das Essen heute auch vermisst.
Als Alternative gingen wir in einen Chipsiladen in der Nähe des Busbahnhofs, wo die Eier nicht richtig durch waren, wo es fertige Industriechilisauce gab, wo uns die Besitzerinnen schon von weiten mit Welcome Mzungu! begrüßten und wo uns die Chipsi Majay lieblos hingeklatscht wurden.

Ich kann nur hoffen, das Khalfan am Montag wieder geöffnet hat.

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