Wenn es ein Vorurteil über uns Wazungu, uns Weiße gibt, was wahrscheinlich wirklich fast alle Tansanier unterstützen würden, dann das, dass wir Weißen reich sind.
Das merkt man wenn über die Straße läuft und die Kinder einem „Mzungu, naomba hella!“ zurufen (Weißer, ich möchte Geld), das merkt man, wenn die Verkäuferin im Laden einen übers Ohr hauen will, „weil man als Weißer ja eh viel Geld hat“ und auch sonst kommt es manchmal zu Situationen, wo man von erwachsenen Personen um Geld gebeten wird – geschenkt versteht sich.
Wenn man all dieses hört und erlebt geht es einem doch irgendwann auf die Nerven. Jede neue Antwort, „nein, ich habe kein Geld, ich bin noch Schüler und bin nicht reich“ macht einen nicht gerade glücklich.
Aber klar, ich war bis vor kurzem noch Schüler, bekomme ein Taschengeld, keinen richtigen Lohn und habe kein Haus und kein Auto. Ich freue mich über jeden Euro, den ich hinzu verdienen kann und habe zwar ein Sparbuch, auf dem aber nicht viel drauf ist. Also können die Leute ja nur darauf kommen, das ich reich bin, wegen meiner Hautfarbe. Alles andere ist ausgeschlossen!
Oder etwa doch nicht?
Schauen wir uns doch mal die Lebenserhaltungskosten hier in Tansania an.
Ich bekomme hier im Monat 100 Euro Taschengeld plus 50 Euro Verpflegungsgeld. Hinzu kommen noch 35 Euro Miete für mein Zimmer.
Miete: Ganze 35 Euro kostet mich, bzw. die DTP, die Miete. Dafür bekomme ich: Ein möbiliertes eigenes Zimmer, etwa 10 Quadratmeter groß, dazu das gemeinsame große und geräumige Wohnzimmer sowie „Bad und WC“. Na gut, „Bad und WC“ sind nicht mit deutschen Standarts zu vergleiche, Duschen unter fließendem Wasser konnte ich bisher einmal, aber es reicht und ist sauber. Ach ja, auch Strom gibt es inklusive, der allerdings manchmal für eine Stunde ausfällt. Das ist aber eher selten. Eine Heizung gibt es nicht – wozu auch.
Taschengeld: Von meinem Taschengeld habe ich mir hier im letzten Monat so allerhand gekauft: Früchte auf dem Markt (z.B. frische super leckere Bananen, 12 Stück 50 Cent) Stofftücher als Bettbezug (3x1 Meter, 3€), 1A Fahrradreperaur-service inklusive neues Tretlager und Pedale (2,5€), kalte Getränke (0,375 Flasche Cola 25 Cent) und Handyguthaben (3 Cent die Minute ins gleiche Netz) sowie Sim-Karte (25 Cent).
Dazu noch einen USB-UMTS-Stick für das Internet, 49,50€.
Für das Verplegungsgeld habe ich folgendes bekommen.
Frühstück (Tee mit verschiedenen Brötchenähnlichen Sachen), Mittagessen (super leckere Chipsi Majay, Pommes-Omelett) und Abendessen (Abwechslungsreich, viel Gemüse aber auch Fleisch, dazu oft Reis aber auch Ugali, Kartoffeln oder Kochbananen).
Darüber hinaus ist das Kochen, das Waschen meiner Klamotten (ausgenommen Unterwäsche) sowie das tägliche Wischen des Fußbodens im Preis enthalten.
Das waren die alltäglichen Ausgaben.
Mit den 150 Euro im letzten Monat habe ich mir aber auch noch 2 Reisen nach Mbeya (Ohne Übernachtung, dafür jeweils 3 stündige Hin- und Rückfahrt für zusammen 3,5 € sowie fürstliches Mittagessen im Restaurant mit westlichen Standarts, 3 €, und Ananas auf dem Markt für 50 Cent) sowie einen Kurzurlaub am Malawisee gegönnt (2 Übernachtungen, 1A Zimmer 5 Meter vom Strand entfernt, westliches Frühstück (mit Marmelade!!!) gutes Abendessenbüffett, toller Strand mit klaren Wasser, dazu jeweils 2-stündige Hin- und Rückfahrt für zusammen 15 Euro).
Und da soll mir nochmal einer sagen, ich wäre hier nicht reich.
Hier bin ich es einfach, daran gibt es nichts zu rütteln, ich wohne in einem für hiesige Verhältnisse sehr großen Haus, ich habe ein eigenes (!!!) Zimmer, ich kann mir jeden Tag Früchte oder andere Leckereien für Zwischendurch leisten, ich bin nicht auf den nach nichts schmeckenden Ugali-Maisbrei angewiesen, sonder habe sehr leckeren Reis mit viel Gemüse zum Abendessen, ich muss meine Wäsche nicht selber waschen und vor allem, ich habe einen eigenen Laptop mit Internetzugang sowie eine eigene (!!!) Kamera.
In einem Land, wo das gesetzliche Mindesteinkommen bei etwas mehr als 80 Euro im Monat liegt, bin ich unheimlich reich.
Leute, die eine eigene Kamera haben, machen damit ein Geschäft und verkaufen die Fotos, die sie damit machen für 30 Cent, Leute, die einen Anschluss an Strom haben laden fremde Handys gegen Geld auf und Leute, die einen Internetzugang haben, machen damit ein Internetcafé auf und verdienen 50 Cent die halbe Stunde. Ich könnte also drei Geschäfte gleichzeitig eröffnen, dazu könnte ich Englischunterricht in der Oberstufe geben und bin mit meinen Schulkenntnissen zum Beispiel in Mathe auf dem Niveau eines Studenten.
Und deshalb besteht dieses Vorurteil meiner Meinung nach zu Recht, denn fast jeder in Deutschland noch so „arme“ Mensch hat hier unglaubliche Geldmittel zur Verfügung. Klar niemand in Deutschland würde mich als arm bezeichnen, aber ganz stumpf auf die 185 Euro im Monat gesehen, mit denen man über die Runden kommen muss, schon.
Und natürlich wird das Vorurteil durch solche Menschen verstärkt, die als Touristen ins Land kommen und sich auf dem Markt denken: Was, ich bekomme hier12 Bananen für gerade mal 2 Euro, ist ja spott billig, aber für die Tansanier ist es das eben nicht, weil sie gerade mal ein Viertel davon bezahlen. Wenn also der Weiße so viel bereit ist zu zahlen, dann muss er ja reich sein.
Und klar, dem kleinen süßen Kind auf der Straße wird dann auch schon mal ein Euro in die Hand gedrückt, aber soviel Geld verdient vielleicht nicht einmal der Vater am Tag und wozu soll er dann das Kind noch zur Schule schicken, wenn es doch auch so so viel Geld verdient.
Die Menschen sind hier einfach arm, doch gerade bei mir in Kyela sind dies alle. Naja, der oberste Politiker von der Region hier hat ein zweigeschössiges Wohnhaus, das ist ein einmaliger Luxus hier. Und meine Gasteltern sind auch ziemlich reich, sie haben sogar ein eigenes Auto. Es gibt aber einfach fast keine reichen Leute hier, zumindest keine reichen Leute im europäischen Sinne, und meine Kamera und mein Laptop würde so manchen gut verdienen Geschäftsmann neidisch machen. Vielleicht sogar den Präfekten in seiner Villa.
Hier merke ich zum ersten Mal so richtig, wie reich ich doch bin, ein 19jähriger kleiner Junge ohne jedwede Berufserfahrung, der sein ganzes Leben lang nicht einen Tag wirklich hart gearbeitet hat.
Ein Umstand, den man sich hier unbedingt bewusst machen sollte, denn sonst kann man hier, glaube ich, viel falsch machen.
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