Im Februar 2010 habe ich mich entschlossen, nach meinem Abitur ein Jahr lang einen Weltwärtsdienst in Tansania abzuleisten. Unterstützt von der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft werde ich dabei ein Jahr lang in Kyela, Südwest-Tansania verbringen und in der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Mikrokredite mit dem Schwerpunkt auf Erneuerbare Energien arbeiten.
Viel Spaß beim lesen meiner Einträge!

Donnerstag, 11. November 2010

Watoto Tanzania


Eigentlich ist es längst mal Zeit, über die vielen Kinder hier zu schreiben.

Tanzania ist ein wahnsinnig junges Land, Überall sieht man Kinder auf den Straßen spielen denn 7 oder mehr Kinder pro Familie sind keine Seltenheit. Ich werde hier zum Beispiel immer ungläubig angeschaut, wenn ich von meinem einzigen Bruder erzähle. Kinder gelten hier einfach immer noch ein Stück als eine Art Rentenversicherung im Alter.

Was mir bei den Kindern hier zuerst aufgefallen ist, ist deren scheinbar unerschöpfliche Energie. In den ersten 4 Wochen hier in Kyela wohnten zwei 5 Jährige Kinder bei mir mit im Haus, die Morgens um Halb 7 aufstanden und Abends um 10 Uhr ins Bett gingen. Und die ganze Zeit dazwischen verbrachten sie mit spielen, tanzen, laufen und rumkreischen. Und sie sind einfach nicht müde zu kriegen.

Gerade das Tanzen und das Gespür der Kinder für Rhytmus und Musik ist mir sehr schnell aufgefallen. Da wir einen Fernseher im Wohnzimmer stehen haben, auf dem wir fast ständig Musikvideos gucken, sind bei uns oft Kinder zu Gast, die entweder mit großen Augen vor dem Fernseher sitzen oder, was häufiger vorkommt, zu der Musik tanzen. Manchmal sieht es so aus, dass die Kinder hier bevor sie laufen können schon tanzen.

Neben dem Tanzen steht natürlich das Spielen ganz weit oben auf der Tagesordnung. Spielzeuge gibt es hier nicht, zumindest keine Spielzeuge wie in deutschen Kinderzimmern. Gespielt wird hier mit alten Reifen, mit kaputten Musikkasseten, mit alten Plastiktüten, mit Murmeln und natürlich mit Lumpenbällen bzw. Bällen aus Plastiktüten. Hier sieht man ein unglaubliches Erfindungsreichtum und eine große Fantasie der Kinder.

Und so passiert es dann auch schnell mal, dass ein 19 jähriger Freiwilliger als Klettergerüst angesehen wird. Denn dass Jonas und Ich die perfekten Spielkameraden sind, dass haben die Kinder hier sehr schnell bemerkt. Am ersten Abend waren hier alle noch sehr schüchtern und haben sich nicht getraut uns anzusprechen. Doch bereits am zweiten Abend kamen einige der Knder ineressiert näher, und als dann die ersten die Brüstung zur Veranda überquerten, war der Bann gebrochen.

Seitdem sind wir fast immer von kleinen Kinder umringt, wenn wir uns draußen auf der Veranda aufhalten.

Und auch in der Stadt oder am am Straßenrand sind wir natürlich die Attraktion schlechthin für die Kinder. Die ganz schüchternen schauen uns einfach nur mit großen erstaunten Augen an, die etwas forscheren grüßen uns auf Kiswahili mit "Shikamoo", der höflichen Anrede gegenber Älteren, die mutigen rufen "Mzungu!", die Vorlauten rufen "Good Morning Teacher" und die, die sich ganz viel zutrauen laufen neben unseren Fahrrädern her und springen sogar hinten auf den Gepäckträger auf.

Was neben dem Interesse für uns Wazungu noch auffällt ist, dass sich die Kinder hier alles Teilen. Da kann der Keks auch noch so klein sein, er wird in viele kleine Brösel zerteilt, damit alle was davon bekommen. Und selbst bei Lutschern wird darauf geachtet, dass alle Kinder gleich lange daran lutschen dürfen.

Darüber hinaus ist mir aufgefallen, dass die Kinder von ihren Eltern sehr viel Freiraum bekommen. Solange sie in Rufweite sind ist alles in Ordnung, da können sie machen was sie wollen. So haben die Kinder in meinen Augen auch schon die Fähigkeit entwickelt, Streitigkeiten selber zu lösen. Klar, hier gibt es viele Rangeleien, doch wenn es zu heftig wird, dann schreiten die anderen Kinder meist selbst ein und trennen die Sreithähne wieder voneinander. Und auch beim Teilen achten alle gleichermaßen darauf, dass niemand vergessen wird.

Natürlich liegt das daran, dass die Mütter meist keine Zeit für ihre Kinder haben, das kleinste wird noch mit auf dem Rücken genommen und ist überall dabei, doch sobald man laufen kann ist man hier auf sich allein gestellt, denn oft ist dann schon das nächste Kind da. Manchmal sieht man hier sogar, dass kleine Kinder, die bei uns noch manchmal noch von ihren Eltern getragen werden, schon bereits ihre kleinen Geschwisterchen auf dem Rücken haben.

Überhaupt ist hier zu sehen, dass die Kinder bereits früh viel Verantwortung übernehmen (müssen). Das betrifft sowohl das Aufpassen auf die kleinen Geschwisterchen als auch die Mitarbeit im Haushalt. Nicht selten trifft man kleine Kinder, die bereits große Eimer voll Wasser auf dem Kopf transportieren. Und häufig werden kleine Kinder zum Einkaufen auf den Markt geschickt, oder sogar auf die Wiese, um die Kuh nach Hause zu holen, vor der selbst ich aufgrund der doch irgendwie sehr großen Hörner ziemlich Respekt habe, der die Kinder aber ohne Probleme einen kräftigen Klaps auf den Hintern geben, damit sie vorwärts kommt.

Klar jetzt könnte man das ganze Verantwortung übernehmen und das viel Freiraum bekommen auch schlichtweg als Vernachlässigung und Ausbeutung betrachten, aber nur weil die Erziehung hier anders ist, muss sie ja nicht schlecht sein.

Zugegeben, hier sieht man auch schonmal, wie kleine Kinder geschlagen werden, vielleicht auch häufiger als in Deutschland, das kann ich schlecht beurteilen.

Und es gibt auch Kinder, die wie ich finde nicht nur in westlichen Augen sonder generell schlecht erzogen sind, die immer Streit suchen, keinen Respekt vor Älteren haben, und immer Aufmerksamkeit brauchen.

Aber viele Kinder zeigen hier auch viel Respekt, besonders vor dem Alter aber auch vor gleichaltrigen, sie teilen das wenige was sie haben und fragen brav, bevor sie sich eine Erdnuss oder ein Stück Ananas nehmen.

Man kann also auf keinen Fall behaupten, die Kinder wären hier schlecht erzogen oder würden einen vernachlässigten Eindruck machen.

Was man aber wie ich meine sagen kann ist, dass die Kinder hier sehr fröhlich und glücklich sind, was gerade bei den hier herrschenden Lebensumständen erstaunlich ist.

Aber natürlich spreche ich nicht für alle Kinder hier, sondern lediglich für die, denen ich hier begegne.

Und die begeistern mich jedes Mal wenn ich sie sehe, denn aus ihrem Tanzen und ihren Blicken sprüht geradezu die Lebensfreude. Ein wirklich toller Anblick.

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